Was ist Qi Gong (Chi Kung)?
Was ist nun also "Qi Gong" bzw. in der älteren Wade-Giles Umschrift "Chi Kung" oder auch "Chi Gong" geschrieben? Zunächst für die Begriffsklärung:
- 气(氣) Qì (Chi) – "Energie", Übersetzung oft auch "Lebensenergie"
- 功 Gōng (Kung) – Leistung, Errungenschaft, Verdienst, gutes Ergebnis/Resultat; Erfolg; Arbeit; Fähigkeit; Fertigkeit
Qi Gong bedeutet übersetzt also in etwa "Übung des Qi" oder manchmal dann auch "Energie-Übung". Ausgesprochen wird Qi Gong in etwa wie "tschi-gung" (und nicht "tschi-gong" wie beim "Gong" der Töne von sich gibt - obwohl es "Qigong" geschrieben wird).
Qi Gong ist letztlich ein Oberbegriff für alle chinesischen Übungen, die das "Energiesystem" des Menschen (das "Qi") trainieren und positiv beeinflussen. Dazu gibt es drei zentrale Methoden, die nahezu alle Qi Gong-Übungen berücksichtigen, nämlich die Arbeit mit und die Regulation von:
- Körper (Körperhaltung, Bewegung...)
- Atmung
- Vorstellungskraft (geistig-mentale Tätigkeit)
Alle chinesischen Übungen, die diese Kriterien erfüllen, können im Grunde genommen als Qi Gong bezeichnet werden bzw. gehören zu Qi Gong.
Ältere Bezeichnungen für Qi Gong
Der Begriff "Qi Gong" ist eigentlich sehr neu. Er wird erst seit ca. 1956 in China und somit auch außerhalb Chinas verwendet. Weitere, teilweise immer noch geläufige Bezeichnungen für Qi Gong oder bestimmte Bereiche von Qi Gong-Übungen sind zum Beispiel:
- 吐故纳新 TuGu NaXin (Kurzform: "Tu-Na") – "Altes ausstoßen, Neues aufnehmen"
- 吐 Tǔ – ausspucken; sagen; ausschütten
- 故 Gù – alt; original; früheres; Ereignis; Vorkommnis; Ursache
- 纳 (納) Nà – empfangen; zulassen; nehmen; akzeptieren
- 新 Xīn – neu, frisch, modern; kürzlich
- 养生 YangSheng – die Gesundheit erhalten; manchmal auch übersetzt als: das Leben nähren
- 养(養) Yǎng – unterstützen, halten, kultivieren, nähren
- 生 Shēng – Leben, Wachsen; Lebenszeit; Geburt
- 导引 DaoYin – Leiten und Führen (des Qi); oder auch: Führen des Qi und Dehnen der Glieder
- 导 (導) Dǎo – anweisen, richten, führen, leiten, ausführen
- 引 Yǐn – ziehen; dehnen; verlängern; lassen; machen; führen; leiten
- Dao-Yin wird auch heute noch als Begriff benutzt und bezeichnet dann in der Regel drei mögliche Dinge:
- Allgemein "Qi Gong" (eben als alternativer Begriff)
- Dehn-/Stretching-Übungen, teilweise im Stehen, teilweise im Sitzen (z.B. "Chinesische Bodenübungen")
- Selbstmassage-Übungen
- manchmal wird auch von 內功 Nei Gong ("inneren Übungen"), 外功 Wai Gong ("äußeren Übungen") o.ä. gesprochen - mehr zu diesen und weiteren Begriffen hier: Einteilungen / Kategorien von Qi Gong
Qi Gong - Tai Ji Quan - Yi Quan - alles das gleiche?
Noch mal kurz zusammengefasst: Qi Gong ist ein Oberbegriff für alle (chinesischen) Methoden, die mit dem Körper, der Atmung und dem Geist/Vorstellungskraft arbeiten. Tai Ji Quan und Yi Quan enthalten bzw. sind somit genaugenommen auch eine Form von Qi Gong bzw. fallen teilweise unter den Oberbegriff Qi Gong (auch wenn das nicht jeder so sieht) - Tai Ji Quan und Yi Quan stammen aber ursprünglich von den chinesischen Kampfkünsten ab und tragen diesen Aspekt, zumindest teilweise, weiterhin in sich.
Und: Beim Tai Ji Quan gibt es jedoch sehr viel längere und komplexere Bewegungsabläufe als bei den meisten Qi Gong-Systemen. Yi Quan wiederum verzichtet auf komplizierte Bewegungsabläufe und trainiert mehr direkt das Innere über die Vorstellungskraft, kombiniert mit Körperarbeit. Übt man Tai Ji Quan und/oder Yi Quan ist Qi Gong praktisch immer mit dabei – übt man "nur" Qi Gong ist jedoch nicht automatisch Tai Ji Quan und/oder Yi Quan mit dabei.
Die Unterschiede zwischen Tai Ji Quan, Qi Gong und Yi Quan sind also gar nicht so leicht zu erklären, weil sie ähnlich sind und aus der gleichen Quelle schöpfen – und doch jeweils einen eigenen Charakter haben.
Zurück zum Qi Gong...
Qi Gong unterscheidet sich vielleicht am ehesten von "normaler Gymnastik" durch die Ausführungsart (langsam, fließend, eher entspannt...), durch den Einsatz der Vorstellungskraft "Yi" und dem achtsamen Hinein-Spüren in den Körper, die Körperhaltung usw. - bei den allermeisten Qi Gong-Übungen. In der klassischen chinesischen Definition zielt Qi Gong darauf ab, das "Qi", unsere Lebensenergie positiv zu beeinflussen.
Qi Gong sind meistens überschaubare Übungsreihen oder Einzelübungen, in Ausnahmen auch komplexere Qi Gong-Formen. In meinen Qi Gong-Kursen unterrichte ich hauptsächlich einfache und eher unkomplizierte Qi Gong-Übungen die sich v.a. auf den Bewegungsapparat beziehen und ihn trainieren. Darunter fallen Mobilisationsübungen, Lockerungs- und Entspannungsübungen, Übungen in Ruhe (insbesondere verschiedene Arten von Zhan Zhuang im Stehen, Sitzen, Liegen und Gehen), allgemeine Körperarbeit, Optimierung der Körperhaltung u.v.m.
Hauptübungspositionen im Qi Gong
Es gibt vier grundlegende Übungspositionen für Qi Gong:
- Stehen - die meisten Qigong-Übungen werden im Stehen ausgeführt. Kurz gesagt kann im Stehen kann der ganze Körper trainiert werden, deswegen ist dies meist die vorrangige Übungsposition sofern sie nicht zu anstrengend ist (s.u.)
- Sitzen - mit Sitzen kann sowohl ein Stuhl oder der Boden gemeint sein. Die Übungen im Sitzen haben zwei Hauptanwendungsgebiete: der meditative Anteil kann im Sitzen erhöht werden sowie für schwächere und/oder kranke Menschen ist Sitzen i.d.R. weniger anstrengend als "Stehen".
- Liegen - im Liegen ist es einerseits leichter, zu entspannen als zum Beispiel im Stehen und andererseits ist Liegen wiederum für schwache und/oder kranke Menschen noch weniger anstrengend als Sitzen oder Stehen und eignet sich daher für diese Menschen besonders
- Gehen / Fortbewegung im Raum - dies ist eigentlich eine Kombination von "Stehen" und Schritten o.ä. wodurch die Beine noch mehr einbezogen sind
Motivation, Wirkungen und Hauptziele für das Üben von Qi Gong:
- Entspannung, Stressreduktion, geistige und körperliche Ruhe, "Batterien aufladen", Ausgleich zum Alltag, Wellness...
- Förderung der Gesundheit / Prävention – Bewahren der Energie – "länger leben, gesund altern"
- sanfte Fitness, beweglich bleiben, Schmerzen reduzieren durch anatomisch sinnvolle Bewegungen, Mobilität auch im Alter
- emotionale Ausgeglichenheit, Gelassenheit, "Frieden", Klarheit
- evtl. als Unterstützung und gut passende Ergänzung auf einem "spirituellen Übungsweg" unter anderem durch die meditative Ausführung der Übungen
- und auch als Unterstützung/Ergänzung für Kampfkunst-Übende aller Art
Gesundheitlicher Nutzen von Qi Gong
Kurze Übersicht über einige der möglichen gesundheitlichen Wirkungen (regelmäßiges Üben vorausgesetzt):
- auf geistig-mentaler Ebene das Erlernen von Entspannungsfähigkeit, Ruhe, Loslassen
- Bewegungsapparat: Stärkung und teilweise auch Entlastung oder Entspannung für die Knochen, Gelenke, Muskeln, Bindegewebe, Sehnen, Bänder, Faszien...
- Verbesserte Durchblutung praktisch aller Organsysteme - bessere Versorgung des Körpers mit Nährstoffen (aber auch ernährungsabhängig!)
- unter körperlicher Bewegung können die Lymphflüssigkeit und Gewebswasser besser "ziruklieren" - dies könnte unter anderem die Funktion des Immunsystems also der Abwehrkräfte des Menschen verbessern
- Ausgleich für das Nervensystem, insbesondere des vegetativen Systems - unter Umständen Verbesserung von sogenannten psychosomatischen Beschwerden
- chinesisches Erklärungsmodell: der Qi-/Energie-Fluss wird verbessert, Blockaden werden gelöst
- allgemein lässt sich sagen, dass Qi Gong helfen kann, die Selbstheilungskräfte anzuregen
Wirkungsweise und Ansatzpunkte von Qi Gong im Kontext der chinesischen Traditionen:
Je nach Übungsrichtung kann Inhalt von insbesondere traditionellen und auch "medizinischen" Qi Gong-Übungen sein, folgende Bereiche oder Konzepte anzusprechen:
- Balance von Yin und Yang
- Meridiane / Energieleitbahnen von "Blockaden" lösen
- die sogenannten Energiezentren (Dan Tian) aktivieren
- Ausgleich der Fünf Wandlungsphasen (Wu Xing)
- Organe / Organfunktionskreise nach der TCM harmonisieren
- in Verbindung treten mit "Naturkräften", sprich Energie der Umgebung (z.B. Himmelsenergie, Erdenergie, Energie von Bäumen…)
- Nachahmung von Tierbewegungen bzw. in die Rolle und Charakteristika des jeweiligen Tieres schlüpfen um bestimmte Reaktion in einem selbst anzuregen
--> Kurse / Regelmäßige Trainingstermine <--
Hinweis: Qi Gong ist neben einer eigenständigen Übungsform auch integraler Bestandteil von Tai Ji Quan und Yi Quan (in einem gewissen Rahmen).
FAQs - Häufige Fragen
Frage 1: Wäre nun Qi Gong oder Tai Ji Quan (oder Yi Quan) am besten für mich geeignet?
Antwort: Auch wenn ich verstehen kann, dass es schon wäre, hierauf jetzt eine eindeutige Antwort zu bekommen - leider ist das nur sehr begrenzt möglich. Ein allererstes "Problem" ist hierbei, dass Qi Gong so unglaublich vielfältig sein kann - von ganz kurzen Übungsreihen bis hin zu sehr langen und komplizierten Übungsreihen. Und Tai Ji Quan kann auch ganz unterschiedlich sein - es gibt viele Stile und von denen wieder sehr viele Unterstile - und teilweise wird Tai Ji Quan ganz unterschiedlich unterrichtet. D.h. man kann sogar leider nicht mal ganz pauschal sagen, dass Qi Gong immer einfacher ist als Tai Ji Quan, was von der Tendenz her meist stimmt... aber es gibt eben auch ganz komplexes Qi Gong - und einfache und kurze Tai Ji Quan-Formen, wo es dann eben leider nicht mehr stimmt.
Und dann muss man ja auch persönlich überlegen, was man als Ziel hat (nur Entspannung oder mehr?), wo man sich sehen kann, was einen reizt (vielleicht schon immer mal überlegt, Kampfkunst anzufangen?), wo es einen "hinzieht", was einem im Endeffekt "liegt" usw. Zum anderen kann man sich auch die besten Überlegungen machen - und wenn man es ausprobiert, ist es doch anders als man vorher gedacht hat. Deswegen kann ich nur raten, es tatsächlich auszuprobieren (und aus meiner Erfahrung heraus: am besten über mehrere Termine hinweg - vielleicht einen oder zwei Kurse lang, denn ein oder zwei Mal Probetraining ist meist zu wenig um wirklich "reinzukommen" in etwas ganz Neues).
Und dann hängt es ja auch noch von ganz profaneren Dingen ab: was ist in meiner näheren Umgebung überhaupt verfügbar? Passen die Zeiten? Komme ich mit dem Lehrer klar? Gefällt mir das, was angeboten wird? - Alles das sind auch wieder Dinge, wo man sich am besten zunächst informiert, Kontakt aufnimmt und dann wieder ausprobieren muss. Und dann muss man aber auch "offen" sein, geduldig sein (man sollte keine Wunder am ersten Termin erwarten - am zweiten Termin übrigens auch nicht) und dem ganzen eine Chance geben.
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