Schlüsselpunkte des Qi Gong: 7. Bewegung und Ruhe gehören zusammen

(ebenso gültig für Tai Ji Quan und Yi Quan)

 

Es gibt im Qi Gong einerseits eher ruhige Übungen (靜功 Jing Gong – stilles Qi Gong) und andererseits eher bewegte Übungen (动功 Dong Gong – bewegtes Qi Gong).

  • Jìng – Ruhe, Stille; still, ruhig, bewegungslos; → körperlich und geistige Ruhe/Stille

  • 动(動) Dòng – Bewegung; bewegen; machen, wechseln → körperliche und geistige „Bewegung“ (und auch die Bewegung des Qi ist gemeint)

  • Gōng – Leistung, Errungenschaft, Verdienst, gutes Ergebnis; Arbeit

 

Z.B. Zhan Zhuang – „Stehen wie ein Baum“ – ist eine Haupt-Methode des stillen Qi Gongs.

Sehr oft gibt es auch gemischte Qi Gong-Methoden – bzw. ruhige und bewegte Qi Gong-Übungen werden gemischt/abgewechselt. Das nennt sich dann „Qi Gong in Ruhe und Bewegung“ (靜动功 Jing Dong Gong).

1. Man sollte im Qi Gong nicht immer nur ruhige bzw. nicht immer nur bewegte Übungen üben. Idealerweise sollte beides – Ruhe und Bewegung – in einem gewissen Wechsel stattfinden. Denn wir brauchen beides. Ruhe und Bewegung gehören zusammen.

2. Darüber hinaus sollten aber auch diese Gegensätze (Ruhe – Bewegung) mit der Zeit eins werden. Oder ein bisschen anders ausgedrückt: in Ruhe soll auch immer Bewegung enthalten sein – und in Bewegung soll auch immer Ruhe enthalten sein.

 

Diese Dynamik ist ein Ausdruck von „Tai Ji“ bzw. Yin und Yang, während die „Einheit der Gegensätze (hier: von Bewegung und Ruhe)“ mit Wu Ji bzw. Hun Yuan im chinesischen Denken beschrieben wird. Da an anderer Stelle diese Begriffe genauer erklärt wurde, möchte ich diese Zusammenhänge hier nicht doppelt reinsetzen und verweise auf: Wu Ji – Tai Ji – Yin und Yang

Das einzige was ich hier noch anfügen möchte: Ruhe und Bewegung sind Aspekte von Yin und Yang - und genau wie Yin und Yang sind sie wie zwei Seiten einer Medaille, gehören untrennbar zusammen und sind "Gegensätze, die eine untrennbare Einheit bilden". Das eine gibt es nicht ohne das andere. -- Allerdings muss auch nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt beides gleich viel da sein (Bewegung und Ruhe), sondern es darf sich dynamisch abwechseln und mal mehr das eine, mal mehr das andere sein... Auf lange Sicht sollte es sich jedoch ausgleichen und in einem harmonischen Gleichgewicht sein.

... dabei allerdings auch Rhythmen folgen. Beispielsweise über den Tag (Tagesrhythmik) oder auch das Jahr unterschiedlich sein. Und auch als junger Mensch ist der Bewegungsdrang noch wesentlich ausgeprägter als im hohen Alter. (aber wir wissen ja schon: Bewegung und Ruhe sollten immer zusammengehören... und natürlich braucht es auch im hohen Alter noch Bewegung, um fit und beweglich zu bleiben)

 

Im chinesischen Denken gibt es keine „Absolute“

 

Ruhe ist nicht absolut. D.h. es gibt nicht „nur Ruhe und sonst nichts“. Es gibt immer Bewegung in der Ruhe. - Umgekehrt genauso: Bewegung ist nicht absolut – es gibt immer auch Ruhe in der Bewegung.

Ein Beispiel für „es gibt immer auch Bewegung in Ruhe“ beim Menschen ist übrigens: selbst wenn wir ganz ruhig, „bewegungslos“ stehen, sitzen oder liegen: wir atmen weiter ein und aus, unser Herz schlägt, Blut wird durch den Körper gepumpt, die Muskeln können auch gar nicht lange Zeit in Dauerspannung bleiben – irgendwann wird es zu kleinen oder größeren (unwillkürlichen) Anspannungen und Entspannungen kommen… wir „schwanken“ ein bisschen hin und her, machen kleine unwillkürliche Ausgleichsbewegungen usw. Aus chinesischer Sicht würde natürlich auch das Qi weiter fließen - so lange wir leben…

 

 

Bewegung ist notwendig

 

…das leuchtet wahrscheinlich auch ohne größere Erklärung ein. Bewegung ist lebensnotwendig – und steht auch sinnbildlich für Veränderung und Wachstum. Der ganze Körper braucht Bewegung (natürlich möglichst „gesunde“ Bewegung). Z.B. brauchen Muskeln wechselseitiges Anspannen und Entspannen für ihre physiologische Funktion und für Kraft und Beweglichkeit… Für uns im Qi Gong ist Bewegung auch nötig für: Regulierung/Ausgleich, Regeneration und Aufbau (von Körper, Geist, „Energie“ usw.).

 

 

Ruhe ist notwendig

 

Wir können nicht ständig in Bewegung sein. Wir brauchen auch „Zeiten der Pause“, Ruhe und Sammlung. Und in der Ruhe kann sogar Bewegung besser wahrgenommen, gelenkt, erzeugt werden. Daher: Ohne Ruhe gibt es – speziell im Qi Gong, Yi Quan und Tai Ji Quan – keine "gute, richtige" Bewegung. Erst in der Ruhe haben wir eine gesteigerte Wahrnehmung auch für Feinheiten, können nach innen spüren und „unsere Mitte finden“. Insofern ist Ruhe u.a. auch für Bewegung wichtig – Ruhe verbessert Bewegung.

 

Kurzum...

 

Bewegung und Ruhe gehören aus verschiedenen Gründen zusammen. Sie sollten sich rhythmisch abwechseln – aber auch ergänzen und zunehmend „eins“ werden / zusammengehören. Aus chinesischer Sicht könnte noch angefügt werden, dass Qi und Blut im Körper frei fließen können sollen – und Stagnationen und Blockaden können durch „Bewegung und Ruhe“ aufgelöst werden. Auch deswegen sollte beim Qi Gong beides zusammengehören.

Zum Schluss ein Zitat vom Yi Quan-Begründer Wang XiangZhai, das gut zum Thema hier passt: "Eine kleine Bewegung ist besser als eine große Bewegung. Keine Bewegung ist besser als eine kleine Bewegung. Ruhe ist die Mutter aller Bewegungen."

Vielleicht ein paar kleine und grobe Hinweise, wie einige der Aussagen zu verstehen sind:

  • „eine kleine Bewegung ist besser als eine große Bewegung“, einfach gesagt weil kleine Bewegungen „feiner“ sein können

  • „Ruhe ist die Mutter aller Bewegungen“ → das wurde weiter oben schon berührt… und man könnte hier noch mal auf Yin/Yang usw. verweisen, denn Yin und Yang verwandeln sich auch ineinander: größte Ruhe erzeugt irgendwann wieder Bewegung… Bewegung erschöpft sich irgendwann wieder und mündet in Ruhe… Ruhe und Bewegung wechseln sich auch rhythmisch ab, verwandeln sich eben auch ineinander.

  • wieso „keine Bewegung besser ist als eine kleine Bewegung“ ist am schwierigsten zu verstehen… und da würde ich wirklich sagen: das klären wir "live" (v.a. im Yi Quan)

 

 

 

 

Weiterlesen:

Schlüsselpunkte des Qi Gong: 8. Oben leer, unten voll