Yi Quan verstehen
"Yi Quan ist einfach", heißt es... Da ist auch etwas dran, da es keine komplizierten Bewegungsabläufe auswendig zu lernen gibt (= keine "Formen"). Allerdings gibt es doch viel mehr "Inhalt" im Yi Quan, als man am Anfang so denkt...
"Yi Quan verstehen" ist ein Prozess, der nur Stück für Stück verlaufen kann - niemand kann Yi Quan sofort "verstehen" - dafür ist es zu umfangreich und komplex...
Da es jedoch so viele Aspekte "zu verstehen" gibt - und natürlich vor allem auch "zu üben" und mehr und mehr "zu können" gibt - habe ich mich entschlossen, hier im Folgenden ein paar relevante Dinge in Stichpunkten (mit ein paar Erklärungen) aufzulisten. So gut es geht habe ich es versucht zu gruppieren. Und möglicherweise werde ich mit der Zeit weitere Sachen ergänzen.
Die Stichpunkte erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, geben aber vielleicht einige "sachdienliche Hinweise"... Möglicherweise geben sie einen Einblick in Yi Quan - und helfen vielleicht eine Idee davon zu bekommen, worum es im Yi Quan geht bzw. Yi Quan "zu verstehen". Aber natürlich kann man Yi Quan letztlich auch nur durch gute Anleitung und eigenes Üben nach und nach "verstehen".
Trainingsansatz
- "Yi Quan ist einfach" (zumindest am Anfang)
- u.a. weil es keine "Formen" gibt → d.h. keine komplizierten auswendig zu erlernenden Bewegungsabläufe
- Yi Quan konzentriert sich auf das Wesentliche (Yi, „Inhalte“, „Prinzipien“…)
- es werden hauptsächlich Prinzipien, Qualitäten, Fähigkeiten trainiert
- und weniger „Techniken / Bewegungsabläufe“ (obwohl es auch "Techniken" gibt - aber diese stehen, im Vergleich zu den Vorstellungen, nicht im Vordergrund)
- und u.a. weil Yi Quan so einfach ist und sich auf das Wesentliche konzentriert, ist es auch gut geeignet als zusätzliches, ergänzendes System – auch weil man nicht dutzende neue Formen lernen muss und mit Yi Quan ein super Prinzipientraining hat (natürlich kann man Yi Quan aber auch einzeln/alleine üben, als eigenständiges und alleiniges Übungssystem)
- Das Yì, die Vorstellungskraft, ist der Dreh- und Angelpunkt des ganzen Systems
- deswegen fängt man auch schon in der ersten Stunde Yi Quan an, mit Vorstellung zu üben
- (zu Yi - Vorstellungskraft - folgt weiter unten ein eigener Punkt, deswegen hier nur kurz das nötigste)
- es geht im Yi Quan die ganze Zeit darum, Bewegung - und "Kraft" - zu verstehen (und natürlich nicht nur verstandesmäßig zu verstehen, sondern sich am Ende auch tatsächlich besser bewegen zu können und mehr "Kraft" produzieren zu können)
- das Yi Quan trainiert wortwörtlich Körper, Geist und "Energie" die ganze Zeit zusammen, dadurch dass Körper, Körperhaltung, Bewegung, Vorstellung usw. die ganze Zeit "zusammen geübt und integriert" werden
- Zhan Zhuang (/Mo Li) → Shi Li (inkl. Mo Ca Bu) → Fa Li
- im Zhan Zhuang trainieren wir die Vorstellungskraft in fast unbewegten Haltungen/Positionen
- im weiteren Verlauf versuchen wir uns mehr und mehr (ganz klein) im Zhan Zhuang zu bewegen (!)
- ... und mehr und mehr "Kraft zu suchen"... und zu finden (im Zhan Zhuang) (= Mo Li-Training)
- aber wir müssen uns auch (größer) bewegen lernen - und das üben wir im "Shi Li"
- und im Mo Ca Bu, welches auch "Shi Li für die Beine" genannt wird
- und wir müssen irgendwann auch üben, uns schneller zu bewegen - das üben wir im Fa Li
- deswegen: von kleiner Bewegung (Zhan Zhuang) zu großer Bewegung (Shi Li + Mo Ca Bu) zu schneller Bewegung (Fa Li)
- es gibt im Yi Quan den Spruch "1 Jahr Yi Quan ist wie 10 Jahre Tai Ji Quan"...
- das wird damit begründet, dass das Yi Quan sich auf das Wesentliche, die Prinzipien, die Inhalte, das Yì konzentriert - und z.B. nicht erst mal jahrelang eine "Form" auswendig gelernt werden muss
- so gesehen ist an dem Spruch sicherlich etwas dran
- allerdings - und da ich ja nunmal auch Tai Ji Quan betreibe - würde ich einschränkend sagen, dass dieser Spruch vor allem auch dann gilt, wenn "gutes" Yi Quan mit "schlechtem" Tai Ji Quan verglichen wird...
- es kann ja genauso gut (schlechtes) Yi Quan "schlecht" unterrichtet werden - und es gibt hervorragendes Tai Ji Quan
- insofern gilt irgendwie auch genauso: "1 Jahr Tai Ji Quan kann wie 10 Jahre Yi Quan sein" (je nachdem wie beides halt unterrichtet wird, ob wirklich "Inhalte"/Vorstellungen vermittelt werden - und auch wie gut, regelmäßig und schrittweise aufbauend geübt wird... wie so oft "hängt es halt davon ab")
意 Yì - Die Vorstellungskraft "Yi"
- 意 Yì – Bedeutung, Idee, Gedanke, Wunsch, Begehren, Intention, Absicht, Erwartung, Vorstellung, ... (insgesamt steht Yì auch für "Denken" und "Einsatz des Geistes)
- Yì ist die „treibende Kraft“ für alles
- Bewegung beginnt im Kopf (Gehirn/Nervensystem)
-
Das Yì steuert alles bzw. ruft alles andere hervor (und koordiniert letztlich sogar alles Folgende):
- Xing – "Form"/Gestalt/Körperhaltung/Körperstruktur (形 Xíng – Form, Gestalt, Erscheinungsbild, Aussehen)
- Dong – Bewegung (动(動) Dòng – Bewegung; bewegen; machen, wechseln)
- Qi – "Energie" (气(氣) Qì – Gas, Luft, Atem, Wetter; Gebaren, Verhalten … im Kontext der chinesischen Medizin: "Lebensenergie")
- Jin/Li – "Kraft" (劲(勁) Jìn – (spezifische) Kraft, Stärke / 力 Lì – Kraft, Stärke, Fähigkeit)
- Shen – "Geist" (神 Shén – Geist, Seele, Gott, Göttlichkeit, Ausdruck; heilig) → 神 Shén wird durch 意 Yì angeregt!
- ...
- mit Yì zu üben muss natürlich selber wiederum geübt werden - Stück für Stück
- bester Hinweis für "mit Yì üben": mit Yì üben ist vor allem "so tun als ob"
- und dann sollte es sich mit der Zeit auch "so anfühlen, als ob" (Yì ist nicht nur "Denken", sondern auch "Fühlen")
- die Vorstellungen sollen "Empfindungen" hervorrufen → "Yì wie echt / wie real"
- Yì kann man auch beschreiben als "mehr Denken als tun" → aber zum einen "nur Denken ist auch zu wenig" (d.h. wir müssen auch "tun") und zum anderen wie vorher beschrieben, muss es sich mit der Zeit auch "so anfühlen als ob", wenn wir "so tun als ob" (→ die Vorstellung muss Empfindungen auslösen → in gewissem Sinne üben wir im Yi Quan dann "mit diesen durch Vorstellung hervorgerufenen Empfindungen")
- es gibt viele verschiedene Arten von Vorstellungen im Yi Quan, die nach und nach geübt werden und in alle Übungen integriert werden
- das Yì gibt allen Übungen "Inhalt"
- die "Inhalte" weiterzugeben wird auch als 心法 Xin Fa bezeichnet
- 心 Xīn – Herz, Gefühl; Geist; Absicht; Zentrum, Kern
- 法 Fǎ – Methode, Weg, Gesetz
- die "Herz-Methode" = Seele / Herz des Yi Quan...:
- das Yì ist die "Seele" des Yi Quan
- ohne Yì sind alles nur leere, hohle, bedeutungslose Übungen...
- und selbst die "Form" (形 Xíng – Form, Gestalt, Erscheinungsbild, Aussehen) kann nie perfekt sein ohne Yì → die "Form" (形 Xíng) folgt der Funktion / dem Yì
- "no single mindless repetition" → keine einzige geistlose Wiederholung (von Übungen, Bewegungen...)
- vollständiger müsste man Yì eigentlich als Xin Yi bezeichnen
- 心 Xīn – Herz, Gefühl; Geist; Absicht; Zentrum, Kern (hier auch: engl. "emotional mind")
- 意 Yì – (s.o.) → steht hier auch für (engl.) "rational mind"
- 心意 Xin Yi = "emotional mind" und "rational mind" zusammen (emotionale und rationale Anteile des "Geistes")
- berühmter Ausspruch:
- 用意不用力 Yong Yi Bu Yong Li = das Yì benutzen, aber keine Kraft benutzen
- 用 Yòng – benutzen
- 意 Yì – Bedeutung, Idee, Gedanke, Wunsch, Begehren, Intention, Absicht, Erwartung, Vorstellung, ...
- 不 Bù – nicht, kein
- 用 Yòng – benutzen
- 力 Lì – Kraft, Stärke, Fähigkeit
- dieser Spruch betont zu Recht die Bedeutung des Yì, ist allerdings auch maximal irreführend (!)
- denn - wie man weiter unten unter der Überschrift "Kraft" sieht - wollen wir "Kraft" (Lì oder Jìn) entwickeln (!)
- allerdings unter Einsatz von (u.a.) "Minimalkraft" - aber wir brauchen Muskeln, "Kraft" und (ein bisschen) "Anspannung" (!)
- Meister Chen Yu (aus meinem Tai Ji Quan) hat deswegen zu diesem Spruch angefügt:
- 也用力 Ye Yong Li ! = Auch Kraft benutzten !
- 也 Yě – auch
- 用 Yòng – benutzen
- 力 Lì – Kraft, Stärke, Fähigkeit
- und das passt auch sehr gut für's Yi Quan
- 也用力 Ye Yong Li ! = Auch Kraft benutzten !
- 用意不用力 Yong Yi Bu Yong Li = das Yì benutzen, aber keine Kraft benutzen
- ein Vorteil vom Training mit Vorstellung: die "Vorstellung" ist unbegrenzt = das Yì ist unbegrenzt → "Yi Quan contains the universe"
- wir "leihen" uns bestimmte Qualitäten von vorgestellten Dingen um sie dann für unser Training nutzbar zu machen
- und das klappt ganz un-esoterisch, denn für das Gehirn ist es ja tatsächlich mehr oder weniger egal, ob etwas "tatsächlich da ist" oder wir uns nur vorstellen / so tun als ob etwas da wäre → schlicht und ergreifend diesen Effekt macht sich das Yi Quan zunutze (dieser Effekt hat wahrscheinlich einerseits einfach mit unserer Biologie, unserem Nervensystem und andererseits mit "Psychologie" zu tun)
- Voraussetzungen und Ergänzungen für das Training mit "Yì" (ein paar Haupt-Punkte):
- Entspannung ist ganz wesentlich, um "die Vorstellungen im Körper fühlen zu können" (mehr dazu: siehe unten beim Punkt "Immer nur Entspannung?!")
- Die Körperwahrnehmung ist natürlich auch ganz zentral für Yi Quan
- ganz grundlegend kann man sagen, dass durch das meditative und (am Anfang) langsame Trainieren mit Vorstellungskraft auch immer die Körperwahrnehmung gestärkt werden soll
- so dass man den Körper, einzelne Körperbereiche besser fühlen lernt
- und dadurch auch besser ansteuern lernt
- und auch lernt, die Körperspannung zu regulieren (siehe auch hierzu weiter unten den Punkt "Immer nur Entspannung?!")
- im Yi Quan gibt es dazu auch den Begriff 体认 Ti Ren – „den Körper kennen“
- 体(體) Tǐ – Körper(teile), Form, Substanz, Stil, System
- 认(認) Rèn – erkennen, wissen, verstehen; zulassen
- "Die Kraft kommt vom Yì"
- "Kraft" wird duch Yì trainiert und hervorgebracht
- mehr dazu, siehe unten beim Punkt "Kraft"
站桩 Zhan Zhuang ("Stehen wie ein Baum")
- Zhan Zhuang ≠ „still und bewegungslos rumstehen“ (und schon gar nicht "einfach nur Zeit totschlagen und hoffen, bis es endlich vorbei ist...)
- wir suchen "Bewegung" im Zhan Zhuang!
- aber sehr sehr kleine Bewegungen → "Mikrobewegungen"
- und vor allem: induziert durch verschiedenartigste Vorstellungsbilder (= Yì-Einsatz)
- Zhan Zhuang ≠ Yi Quan
- Zhan Zhuang ist ein wichtiger Teil des Yi Quan
- aber Yi Quan ist nicht nur Zhan Zhuang-Training
- sondern z.B. auch Shi Li, Mo Ca Bu, Fa Li, ...
- Zhan Zhuang muss mit "Inhalt" = Vorstellungen = Yì sein!
- ansonsten ist Zhan Zhuang "totes Stehen" oder auch "leeres Stehen" (d.h. ohne Inhalt → sinnlos / nutzlos)
- und man kann auch sagen, dass eigentlich alle wesentlichen "Vorstellungen" zunächst im Zhan Zhuang geübt werden und von dort aus "übertragen" werden auf die anderen Übungsbereiche (wie Shi Li, Mo Ca Bu usw.)
- Warum Zhan Zhuang?
- Im Zhan Zhuang, in relativ unbewegten Positionen, können wir uns ganz auf "Inhalte" und "Vorstellungen" konzentrieren
- ... dadurch dass wir uns nicht mal auf "Bewegungen" und schon gar nicht "längere Bewegungsabläufe" (wie in "Formen"/"Kata") konzentrieren müssen
- Zhan Zhuang hat im Yi Quan auch die Funktion, alle Vorstellungen (Yì) "vorzubereiten" für das weitere Training (Shi Li, Mo Ca Bu, Fa Li...)
- "hat man Zhan Zhuang verstanden, hat man die Hälfte vom Yi Quan verstanden" (und leider aber auch: hat man Zhan Zhuang nicht verstanden, hat man leider gar nichts verstanden)
Shi Li ("Testen-Kraft") & Mo Ca Bu ("reibende Schritte")
- Zhan Zhuang = Shi Li
- Zhan Zhuang = "Punkt" (d.h. ganz ganz kleine Bewegung - fast gar keine sichtbare Bewegung - "Null-Kreis")
- Shi Li = Linie (d.h. größere Bewegung im Raum)
- man muss beides üben, beides integrieren - den "Punkt" und die "Linie"
- und wenn man vom Zhan Zhuang aus anfängt sich größer zu bewegen, wird es zu Shi Li
- "stoppt" man die Shi Li-Bewegungen, dann wird es zu Zhan Zhuang
- deswegen: Zhan Zhuang und Shi Li sind wie zwei Seiten der gleichen Medaille - sie gehören zusammen und sind "eins" (und sind in gewissem Sinne das "das gleiche", auch wenn sie nicht ganz identisch sind...)
- zum Shi Li gehört auch Mo Ca Bu = "Shi Li für die Beine"
- Shi Li ist auch sogar der größere Übungsbereich im Yi Quan als Zhan Zhuang
- im Shi Li soll die Kraft / das Kraftgefühl (was man sich aus dem / im Zhan Zhuang-Training erarbeitet hat) weitergeführt werden, weiter ausgearbeitet werden
- in gewissem Sinne trainiert das Zhan Zhuang "allgemein" Kraft / Kraftgefühl
- die Shi Li-Übungen trainieren "spezifischere Kräfte" (z.B. eine zurückhakende Kraft, eine nach unten drückende Kraft usw.)
"Kraft" (Jin / Li)
- 劲 Jin = 力 Li
- im Yi Quan unterscheiden wir 劲 Jin und 力 Lì nicht (wie es dagegen im Tai Ji Quan oft getan wird)
- im Yi Quan gehen wir davon aus, dass wir immer "trainierte/intelligente Kraft" (Gong Li) haben wollen
- und wir wollen nicht "dumme Kraft" (Ben Li) haben
- und dann ist es egal welchen der beiden Kraftbegriffe (Jin oder Li) wir für "trainierte/intelligente Kraft" (Gong Li) verwenden - es ist das gleiche gemeint, wenn wir im Yi Quan von Jin oder Li reden
- in gewissem Sinne dreht sich das Yi Quan-Training die ganze Zeit um das "Training der Kraft"
- im Zhan Zhuang versuchen wir ein grundlegendes Verständnis für Kraft zu bekommen (→ Mo Li)
- das dort erworbene Kraft-Gefühl übertragen wir auf größere Bewegungen (→ Shi Li) inkl. Schritten (Mo Ca Bu)
- und im weiteren Verlauf übertragen wir dies auf schnellere Bewegungen (→ Fa Li)
- ... und trainieren Kraft-Verständnis mit einem Partner, z.B. im Tui Shou (Push Hands)
- ...
- die Kraft ist dabei eine "koordinierte Ganzkörperkraft", die aus der Koordination (und u.a. daraus resultierend: Verbindung) des gesamten Körpers entsteht (Ganzkörperbewegungen → wir wollen wortwörtlich mehr und mehr den ganzen Körper ansteuern und „reinbringen“ in alle Bewegungen – auch das wird natürlich, wie oben schon angesprochen, vom Yi geführt)
- diese Kraft wird auch 整體浑元力 Zheng Ti Hun Yuan Li genannt ("ursprüngliche Ganzkörperkraft")
- 整體 Zheng Ti – ganzer Körper
- 整 Zhěng – ganz, komplett, voll, geordnet
- 体(體) Tǐ – Körper, Körperteile, Form, Substanz, Stil, System
- 浑元 Hun Yuan – Ganzheit, Einheit, Ursprung; Ursprung des Universums/der Welt, Urzeiten
- 浑(渾) Hún – ganz, überall, einfach und natürlich
- 元 Yuán – erstes, wichtigstes; fundamental; Einheit; ursprünglich, original
- 力 Lì = Kraft, Stärke, Fähigkeit
- 整體 Zheng Ti – ganzer Körper
- nur der Vollständigkeit halber: im Chen Yu Tai Ji Quan wird auch von 整体合劲 Zheng Ti He Jin ("ganzer Körper zu einer Gesamtkraft verbunden") gesprochen
- 整體 Zheng Ti – ganzer Körper
- 整 Zhěng – ganz, komplett, voll, geordnet
- 体(體) Tǐ – Körper, Körperteile, Form, Substanz, Stil, System
- 合劲 – He Jin - Kraft/Kräfte kombinieren/verbinden/koordinieren
- 合 Hé – kombinieren, vereinen, verbinden, koordinieren, schließen; versammeln
- 劲(勁) Jìn – (spezifische) Kraft, Stärke (für's Yi Quan gilt ja: ist das gleiche wie "Lì" !)
- 整體 Zheng Ti – ganzer Körper
- diese Kraft wird auch 整體浑元力 Zheng Ti Hun Yuan Li genannt ("ursprüngliche Ganzkörperkraft")
- außerdem wollen wir eine federartige, "vibrierende"/lebendige Kraft haben = 弹抖力 Tan Dou Li
- 弹 Tán – elastisch, "federartig"; springen
- 抖 Dǒu – schütteln; zittern; "vibrieren"
- 力 Lì – Kraft, Stärke, Fähigkeit
- die Kraft kommt vom Yì (!) → wichtiges Konzept im Yi Quan
- die Kraft kommt nicht (!) von der Kraft (selber) (also z.B. nicht nur von reiner Muskelstärke her)
- denn man könnte sagen, die Kraft kommt dadurch zustande, dass wir unseren Körper anders bewegen lernen, alle Körperteile miteinander in Koordination bewegen, die Körperstruktur dabei richtig ausrichten, dass Kraft gut geleitet werden kann usw. → also alles Sachen, die vom Yì (der Vorstellung) gesteuert werden → deswegen "kommt die Kraft vom Yì"
- d.h. wir müssen mit Yi trainieren, um Kraft zu entwickeln! (die Kraft kommt vom Yì / Yì-Training / Training mit Yì!)
- Spruch dazu im Yi Quan:
- 意到力到 Yi Dao Li Dao = wenn das Yì ankommt, kommt auch die Kraft an
- 意 Yì – Bedeutung, Idee, Gedanke, Wunsch, Begehren, Intention, Absicht, Erwartung, Vorstellung
- 到 Dào – gehen zu, ankommen, (da) sein
- 力 Lì – Kraft, Stärke, Fähigkeit
- 到 Dào – gehen zu, ankommen, (da) sein
-
dazu könnte man noch anfügen, dass durch das ständige Trainieren mit Vorstellung/"Geist" und Körper(bewegung) im Yi Quan, wortwörtlich die Geist-Körper-Verbindung ständig trainiert und gestärkt wird
- und es ist u.a. deswegen wichtig, relativ entspannt, beweglich und auch "weich"/geschmeidig zu sein im Körper bzw. zu werden und sich zu bewegen, damit das Yi auch "im Körper ankommen kann" (Yi Dao...)
- 意到力到 Yi Dao Li Dao = wenn das Yì ankommt, kommt auch die Kraft an
-
und Grundsatz: "Yi führt, Qi folgt - und das Qi bewegt den Körper" gilt hier auch (mehr dazu auch beim "Qi Gong-Schlüsselpunkt 6: Vorstellung ("Yi") und "Qi" folgen einander - und das "Qi" bewegt den Körper")
- ebenso aus den drei inneren Harmonien (內三合 Nei San He):
- 心意气力 Xin Yi Qi Li → in Kurzform heißt das:
- 心 Xīn (Herz) und 意 Yì (Vorstellung...) werden/sind miteinander verbunden / koordinieren sich miteinander
- 意 Yì (Vorstellung) und 气 Qì ("Energie") werden/sind miteinander verbunden / koordinieren sich miteinander
- 气 Qì ("Energie") und 力 Lì (Kraft) werden/sind miteinander verbunden / koordinieren sich miteinander
- d.h. 心 Xīn ("emotional mind"), 意 Yì, 气 Energie "Qì" und die 力 Kraft "Lì" sind alle miteinander verbunden
- → die Kraft Lì kommt (u.a.) vom Yì
- (mehr zu den drei inneren Harmonien und auch den drei äußeren Harmonien u.a.m. bei den Sechs Harmonien (六合 Liu He))
- 心意气力 Xin Yi Qi Li → in Kurzform heißt das:
- Dynamik vs. Statik
- oft wird die Körperhaltung und Körperstruktur sehr betont (→ 形 Xíng – Form, Gestalt, Erscheinungsbild, Aussehen)
- das ist auch ein wichtiger Teil von bzw. für "Kraftentwicklung"
- allerdings dürfen wir die Dynamik nicht vergessen - wir wollen uns ja bewegen und aktiv selber Kräfte erzeugen
- dabei müssen wir eine gewisse "Struktur", einen "Rahmen" beibehalten im Körper
- aber noch wichtiger ist, sich innerhalb dieses "Rahmens" bewegen zu lernen = die Dynamik in der "Struktur" zu entwickeln
- (wir sind ja kein "toter Gegenstand", den man irgendwo statisch hinstellen kann und der dann regungslos dort bleibt...)
- 身法 Shen Fa (Körper-Methode = "Körpermechanik")
- 身 Shēn – Körper; Hauptteil einer Struktur (→ "Rumpf" oft gemeint)
- 法 Fǎ – Methode, Weg, Gesetz)
- wenn wir über "Kraft", Struktur und Dynamik reden, dann darf natürlich auch nicht Shen Fa fehlen
- es braucht eine entsprechende Körpermechanik (Organisation und Koordination aller Teile des Körpers in Bewegung), um "Kraft" zu produzieren
Immer nur Entspannung (Song bzw. Fang Song)?!
- Wir unterscheiden vier Spannungszustände im Yi Quan
- 懈 Xiè – schlaff
- 松(鬆) Sōng – entspannt
- 紧(緊) Jǐn – angespannt
- 僵 Jiāng – verspannt; steif
- ganz grundsätzlich gesagt: wir wollen dabei "schlaff" und "verspannt, steif" vermeiden
- und "entspannt" ist nur ein bisschen mehr Spannung als "schlaff" – und "angespannt" ist nur ein bisschen mehr Spannung wie wie "entspannt"
- und natürlich sagen wir im Yi Quan, dass "entspannt" und "angespannt" durch Yì hervorgerufen werden (wir brauchen also entsprechende Vorstellungsübungen für "Entspannung", "Anspannung" und "Entspannungs-Anspannungs-Wechsel" (s.u.) - und die "Steuerung" für alles ist der "Geist"/Yì)
- Entspannung ist...
- wichtige „Basis“ im Yi Quan (am Anfang trainiert man sehr viel "Entspannungsvorstellungen") für vieles
- wichtig für Lockerheit im Körper, Beweglichkeit, "Durchlässigkeit" (u.a. auch für Kraftweiterleitung), Yi als „so tun als ob“ empfinden zu können (wenn man "so tut als ob" sollte es sich "so anfühlen als ob" → Yi wie echt)
- letztlich sogar auch Verbundenheit im Körper - und Verbindung von Körper und Geist (bzw. dass der Körper auf geistige Signale so reagieren kann wie es günstig ist), beruht u.a. auch auf "Entspannung(sfähigkeit)"
- Im weiteren Verlauf des Yi Quan-Trainings allerdings:
- ständige Wechsel von Anspannung und Entspannung
- Und im Laufe der Zeit, noch viel später:
- Anspannung und Entspannung werden mehr und mehr "eins" (wichtiges Konzept im Yi Quan: alle Gegensätze sollen zur Einheit werden - so auch der Gegensatz von Anspannung und Entspannung)
Gegensätze - ein wichtiges Grund-Prinzip
- "Gegensätze" haben eine wichtige Bedeutung im Yi Quan
- oben und unten, links und rechts, vorne und hinten, anspannen und entspannen, Ruhe und Bewegung, ...
- man versucht generell, "Gegensätze" gut herauszuarbeiten (also zunächst gut zu trennen, zu unterscheiden)
- und dann sollen im weiteren Verlauf alle Gegensätze "eins" werden
- das Yi Quan betont die Einheit von allen Gegensätzen -- die Gegensätze gehören untrennbar zusammen
- dabei gibt es zwei wichtige Begriffe:
- 矛盾 Mao Dun = Widerspruch/Widersprüche/Gegensätze
- 矛 Máo – Lanze, Speer
- 盾 Dùn – Schild
- 爭力 Zheng Li = "streitende Kräfte" → die "Kraft" die wir suchen, besteht aus Gegensätzen (oder anders gesagt: Kraft ist immer paarweise da... es gibt keine isolierten Kräfte)
- 爭 Zhēng – streiten, kämpfen
- 力 Lì – Kraft, Stärke, Fähigkeit
- 矛盾 Mao Dun = Widerspruch/Widersprüche/Gegensätze
- im Yi Quan spricht man nicht viel von Yin und Yang, aber im Grunde ist genau die Dynamik von Yin und Yang mit "Widersprüchen" hier gemeint, denn auch Yin und Yang sind zwei "Gegensätze", die aber eine Einheit bilden
- dazu passt ganz gut, dass auch "innen" und "außen" eine Einheit bilden sollen
- entsprechend ist im Yi Quan die Sichtweise vertreten, dass beide Aspekte zusammengehören (innen und außen)
- die Unterscheidung in sogenannte "innere und äußere Kampfkünste" ist künstlich und auf vielen Ebenen problematisch und falsch (!) - die beiden Haupt-Vertreter des Yi Quan in China, Meister Yao ChengRong und Yao ChengGuang bezeichnen Yi Quan am ehesten noch als "halb innere, halb äußeres System" - eben weil innen und außen untrennbar zusammengehören, ja mehr noch: innen und außen sollen geradezu miteinander in Einklang gebracht werden!
- deswegen: Innen und Außen gehören zusammen !
- und das ist sogar ein wichtiges Prinzip und nennt sich 內外相合 Nei Wai Xiang He ("innen und außen verbinden sich gegenseitig") bzw. 內外合一 Nei Wai He Yi ("innen und außen sind eins" / "verbinden sich zu Einem")
- 內 Nèi – innen, innere Seite, inmitten, innen drin
- 外 Wài – außen, äußere Seite, auswärts, außerhalb; fremd
- 相合 Xiang He – sich nach etwas richten, kompatibel sein, zusammenpassen
- 相 Xiāng – gegenseitig
- 合 Hé – kombinieren, vereinen, verbinden, schließen; versammeln; zusammen, gleichgestellt sein (hier auch: koordinieren)
- 合一 He Yi – „zu Einem verbinden“
- 合 Hé – kombinieren, vereinen, verbinden, schließen; versammeln; zusammen, gleichgestellt sein (hier auch: koordinieren)
- 一 Yī – eins
... in Bearbeitung...
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Sechs Hauptkategorien (Shen, Yi, Qi, Li, Xing, Sheng)