Schlüsselpunkte des Qi Gong: 8. Oben leer, unten voll

(ebenso gültig für Tai Ji Quan und Yi Quan)

 

Dieser Schlüsselpunkt ist eigentlich ein Hinweis darauf, welches grundlegende Gefühl wir im Körper anstreben wollen beim Üben von Qi Gong (oder auch Tai Ji Quan und Yi Quan).

Und zwar gibt es das Bild bzw. den Vergleich mit einem Baum: dessen Wurzeln sind fest in der Erde verankert, es gibt einen stabilen Stamm und dann bewegliche Äste und Blätter. Der Mensch wird wird in chinesischer Sicht ähnlich gesehen – wir sollten auch unten fest, stabil, „schwer“ und „voll“ sein – und oben leicht, beweglich, „frei“ und „leer“. Wäre es andersherum, wäre das aus chinesischer Sicht ungesund.

Ein ähnliches Bild für den Menschen ist übrigens, dass wir uns „mit Erde und Himmel verbinden“ (bzw. „Mittler“ sind, bzw. in der Mitte stehen zwischen Himmel und Erde): unten fest mit der Erde verbunden, nach oben leicht in den Himmel ragend.

 

Was heißt das jetzt für's Üben?

Für unser Üben heißt das, vor allem unsere „Basis“ muss gestärkt werden: Füße, Beine und Rumpf. Hingegen sollten Schultern, Arme, Hände, Hals/Nacken und Kopf frei, beweglich entspannt und gelöst sein. Allerdings ist das wie alles nicht absolut zu sehen (Stichwort „Yin und Yang“), und natürlich muss unsere „Basis“ auch entspannt und beweglich sein – und unser Oberkörper darf auch nicht ganz „schwach und instabil“ sein. 

(Und apropos Yin und Yang – „Leere“ und „Fülle“ gehören letztlich zusammen / müssen gemeinsam da sein. – Und in der Leere soll auch immer noch etwas Fülle sein, so wie in der Fülle auch immer noch etwas Leere sein soll… man darf diese Sichtweise auf die Dinge hier nie vergessen... und das heißt letztlich übrigens auch, dass dieser Schlüsselpunkt hier mit der günstigen Verteilung von Yin und Yang im Körper zu tun hat.)


...und wie ins Üben einbauen?

 

Im wesentlichen gibt es drei Punkte, wie dieser Qi Gong-Schlüsselpunkt umgesetzt werden soll beim Üben:

  1. Fokus / Aufmerksamkeit / Vorstellung mehr auf „unten“ als auf „oben“. Oft wird von „Unten 7 – Oben 3“ bzw. „Unten 70% – Oben 30%“ gesprochen. Das gilt ganz grundsätzlich für alles Üben von Qi Gong, Tai Ji Quan und Yi Quan. Allerdings kann der Fokus je nach Übung davon auch schon mal abweichen, d.h. man darf diese Regel nicht zu streng sehen.

  2. Unter anderem durch Entspannung / Loslassen kann im Körper ein natürliches „Sinken“ entstehen: ein zu viel an Kraft wird aufgelöst und der Schwerkraft entsprechend sinkt alles natürlich nach unten. Wir müssen nicht mehr mit zu viel Kraft künstlich einen Teil der Körperstruktur „oben halten“ – Entspannung geht natürlicherweise „nach unten“. Dadurch entsteht dann auch ein Gefühl, dass „alles Schwere nach unten“ sinkt, und sich dementsprechend „oben“ alles leichter anfühlt.

    Allerdings sollte das „Sinken“ auch nicht übertrieben werden: wir wollen uns zum einen nicht extra schwer machen bzw. schwerer machen als wir sind (ein Bild für „Sinken“ ist, wie ein Schiff, dass im Wasser einsinkt: es sinkt nur so weit ein, wie es „sollte“ – und es geht nicht unter im Wasser) – und wir wollen zum anderen nicht zusammensacken/kollabieren. (letzteres würde auch zu viel Druck auf unsere Gelenke ausüben)

    Man darf dabei auch nicht vergessen, dass wir uns ja auch aktiv gegen die Schwerkraft aufrichten und „aufspannen“ müssen – all das muss im Gleichgewicht sein.

  3. Eigentlich hat dieser letzte Punkt mit dem ersten Punkt zu tun, kann aber auch extra gesehen werden, denn: wir erreichen „untere Fülle und obere Leere“ auch dadurch, dass wir relativ mehr Aktivität und „(An-)Spannung“ im Unterkörper als im Oberkörper haben bzw. aufbauen. Das ergibt sich eigentlich alleine schon aus der Tatsache, dass z.B. unsere Beine alleine schon die ganze Zeit aktiv bleiben und „arbeiten“ müssen, alleine wenn wir beispielsweise nur stehen oder gehen wollen.

    Würden die Beine „ganz entspannen“, würden wir zusammensacken. Wenn wir z.B. die Arme hingegen „ganz entspannen“ würden, dann würden sie „schlimmstenfalls“ einfach schlaff an unseren Körperseiten herunter hängen. D.h. für den Unterkörper darf es insgesamt anstrengender sein und wir müssen „unten“ im Prinzip immer mehr Kraft benutzen als „oben“ (die Beine und die Wirbelsäule tragen uns – die Arme nicht).

 

 

 

 

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Schlüsselpunkte des Qi Gong: 9. Das richtige Maß